AND NOW HANAU

© Bettina Stöß

Mitwirkende

Regie: Tuğsal Moğul

Bühne und Kostüme: Marcin Wierzchowski

Musik: Katharina Pelosi

Dramaturgie: Victoria Weich, Saskia Zinsser-Krys

Besetzung: Alaaeldin Dyab, Agnes Lampkin, Regina Leenders, Tim Weckenbrock

Eine Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen und dem Theater Oberhausen/Theater Münster in Kooperation mit dem Maxim Gorki Theater Berlin

Am 19. Februar 2020 ermordet ein Rassist in Hanau neun Menschen: Fatih Saraçoğlu, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Kaloyan Velkov, Mercedes Kierpacz, Said Nesar Hashemi, Sedat Gürbüz Vili Viorel Păun und ein weiteres Opfer.

Tuğsal Moğul setzt sich in seinen Werken mit den Auswirkungen rassistisch motivierter Gewalt in Deutschland auseinander. In seinem neuesten Rechercheprojekt bearbeitet er das Attentat von Hanau theatral. Er lässt in seinem Stück die Perspektive der Opfer zu Wort kommen und fragt nach den vielen Fehlern, die vor, während und nach dem Anschlag von Seiten der Polizei, Staatsanwaltschaft, Politik und den Medien begangen wurden:

Der Attentäter war der Polizei bereits als rechtsextrem bekannt.

Wieso wurde er nicht besser überwacht?
Wieso war der Notruf 110 in der Tatnacht nicht erreichbar?
Wieso war der Notausgang in der Arena-Bar verschlossen?
Wie kann es sein, dass Einsatzleute des SEK am Tatort später als rechtsextremistisch entlarvt wurden?

In enger Zusammenarbeit mit der Initiative 19. Februar Hanau fragt Moğul nach Konsequenzen und fordert eine lückenlose Aufklärung, damit wir den Opfern und Angehörigen gerecht werden und an sie erinnern.

Bei den NSU-Morden gab es den Prozess im Oberlandesgericht München. Der Täter von Hanau hat sich der Verhandlung und seiner Verurteilung durch Selbsttötung entzogen, eine gerichtliche Aufarbeitung findet nicht statt.

Tuğsal Moğul setzt sich mit den Morden nicht in einem herkömmlichen Theaterraum auseinander, sondern wählt ganz bewusst öffentliche Ort in der Mitte der Stadtgesellschaft. Im Rathaus in Recklinghausen, im Rathausfestsaal und im Landgericht in Münster, im Rathaus in Oberhausen. Die Rathäuser in Frankfurt, Hanau und Marburg in Hessen sind weitere Spielorte.

Geplant ist auch im nächsten Jahr 2024 ein Gastspiel im Bundestag in Kooperation mit dem Maxim Gorki Theater Berlin.

Ungeheuerliche Fakten
„In dieser Ballung und klugen wie schockierend klaren Zusammenstellung der Uraufführung von Tuğsal Moğul hat jedoch sicher bisher niemand der Anwesenden das krasse Behördenversagen vor, während und nach den rechtsextrem motivierten Morden von Hanau vor Augen geführt bekommen … Bei der Uraufführung im Rathaus von Recklinghausen sitzen Angehörige fast aller Oper in der ersten Reihe. Beim langen Applaus mit Standing Ovations tauschen sie am Ende Umarmungen mit dem künstlerischen Team aus, auf allen Seiten fließen Tränen. Man denkt: Gut, dass das Theater hier Arbeit übernimmt, die deutsche Behörden offenbar sträflich vernachlässigten. Das Stück ist ein starkes Statement, ein Appell, sich doch einmal betroffen zu zeigen und aus dieser Betroffenheit heraus in die Gesellschaft zu wirken, damit derartiges sich nicht wiederholt.“
[Nachtkritik vom 13.05.2023]

Rekonstruktion eines Versagens
„Betroffenes Schweigen füllt am Ende des Sitzungssaal. Geschlossen erhebt sich das Publikum und die Bühne sowie der bittere Beifall gehören nicht allein den großartigen Schauspieler:innen, sondern vor allem den Angehörigen der Opfer, die mit im Publikum sitzen und denen rote Rosen gereicht werden. Moğuls Stück leistet Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit, sein dichter Text bündelt die Folgen des Anschlags auf die Tatnacht und die wenigen Minuten, die das Leben vieler Menschen beendet oder verändert hat.“
[Die Deutsche Bühne vom 13.05.2023]

Der alternative Prozess
„AND NOW HANAU gehört, im produktivsten Sinne, zu den Abenden, die schwer auszuhalten sind, weil die handfesten Versäumnisse, die eigentümlichen Ermittlungspannen und die erschütternden Gedankenlosigkeiten der jeweils zuständigen Stellen, die hier offenbar werden, sprachlos machen … Tuğsal Moğul hat mit AND NOW HANAU einen Abend geschaffen, der durch die Konkretion und Genauigkeit seiner Recherche und die inszenatorisch zurückhaltende Bühnenumsetzung, die sich komplett in den Dienst des Materials stellt, wichtige Aufklärungsarbeit leistet.“
[Theater Heute September 2023]

© 2024 Tuğsal Moğul

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