Der kleine Spatz vom Bosporus

© Franziska von Schmeling

Mitwirkende

Im Theater im Pumpenhaus Münster

Schauspiel und Gesang: Christiane Hagedorn

Musik: Band Anahtar-Bahnhof mit Ahmet Bektaş, Ömer Bektaş, Jens Pollheide, Martin Scholz

Ausstattung und Regieassistenz: Eva-Maria Lüers

Produktionsleitung: Susanne Berthold

Förderer: Kulturamt der Stadt Münster und Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW

Der Text ist in Zusammenarbeit mit Christiane Hagedorn entstanden. 

„Jeder sollte singen. Singen ist gut für die Gesundheit“

Sezen Aksu

 

Dieses Motto der türkischen Popdiva Sezen Aksu wird auch der Antrieb für eine Frau auf der Suche nach ihren Wurzeln. Geboren in Ostberlin, mit einem türkischen Vater, der zur Sehnsuchtsfigur wird und getragen von den Liedern Sezen Aksus beginnt eine Reise quer durch Europa und die ostdeutsch-westdeutsch-türkische Geschichte.

Seit Februar 2018 ist der kleine Spatz deutschlandweit unterwegs und konnte auch schon auf internationalen Gastspielorten landen: Auf dem Internationalen Theaterfestival in Bergama (Türkei) im Mai 2018 und auf Einladung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland und des Goethe-Institutes in Istanbul im Oktober 2019.

Weitere bisherige Spielorte: Theater Dortmund im März 2019, Theater Münster im Rahmen des NRW Theatertreffens im Juni 2019, Gostner Hoftheater Nürnberg 2020, Theater Gütersloh 2020

 

Der kleine Spatz vom Bosporus ist einem weitgehend unbekannten Kapitel der deutsch-deutsch-türkischen Geschichte gewidmet … dem Schicksal der Kinder, die von türkischen Einwanderern aus Westberlin gezeugt und aus dem Bauch von Ostberliner-Frauen geboren wurden: Auf dem alten Dachboden ihrer Kindheit findet die Ostberlinerin Selma Çiçek eine Kiste mit Briefen und das Tagebuch ihrer Mutter Gudrun. Auch eine Ostberlinerin aus dem Stadtteil Friedrichshain mit „Herz und freier Schnauze“, die sich eines Tages im Jahr 1971 Hals über Kopf in Mehmet verliebt, einen rührend schüchternen, dabei aber überaus charmanten Türken, der jenseits der Mauer mit seiner Familie in Berlin/Kreuzberg lebt. Im Strudel der Erinnerungen schlüpft Selma immer wieder in die Rolle ihrer Mutter und nach und nach entfaltet sich die Geschichte ihrer Eltern, eine Geschichte von Liebe, Verlust und scheinbarem Verrat in den Zeiten des „Eisernen Vorhangs“ und der sich zunehmend verändernden Einstellung Westdeutschlands gegenüber den türkischen Einwanderern. Je mehr Selma in die Welt ihrer Eltern eintaucht, desto mehr beginnt sie die Ereignisse zu verstehen, die damals vor und nach dem Fall der Berliner Mauer ihr eigenes Leben für immer verändert haben… Die Lieder der türkischen Poplegende Sezen Aksu, genannt „Kleiner Spatz“, die in der Türkei über nahezu alle politischen, religiösen und ethnischen Grenzen hinweg verehrt wird, sind jahrelang das einzige Band zwischen Selma und ihrem türkischen Vater, der seinem kleinen Mädchen die geliebten Platten von Sezen Aksu schenkte, bevor er verschwand. Eine deutsch-deutsch-türkische Geschichte mit authentischen Zügen über das Verlorensein zwischen den Kulturen, das Überwinden von Mauern und die Kraft der Musik.

Auszug aus dem Stück:
„Und dann stehe ich morgens um 9.00 Uhr auf dem Bahnhof Sirkeci in Istanbul… Musik … Mein Gott, ist diese Stadt laut! Und heiß wie in der Sauna. Aber wunderschön. Und es riecht irgendwie vertraut. Das sind die Autos! Die riechen genau wie in Ostberlin! Ich halte ein Taxi an, aber nicht so eins wie hier, nein, ein riesiger himmelblauer amerikanischer Schlitten fährt vor. Der Fahrer steigt aus …und sieht genauso aus wie Henry Fonda! Nur zwei Köpfe kleiner. Ich geb ihm den Zettel mit Babas Adresse. Er strahlt mich mit seinen blauen Henry-Fonda-Augen an und fragt mich: „English? Deutsch?“ Ich sage: „Germany, I’m from Germany, Ostberlin!“ Und Henry Fonda fällt fast das Gesicht aus dem Gesicht: „Das gibs ja nicht! Du kommst aus der DDR? So mit eiserner Vorhang und Stasi und so? Ich bin auch Berliner! Ich bin der Hasan! Bin in Schöneberg geboren, im Auguste-Victoria-Krankenhaus. Ey, Wahnsinn! Du kommst aus Ostberlin!! Ich helfe dir. Wo willst Du hin? Nach Kadıköy? Komm, steig ein in meinen Chervolette, ich fahr Dich rüber.“ Ich steig also ein in seinen riesigen Schlitten und er fährt mich in einem Affen-Tempo ohne irgendwelche roten Ampeln zu beachten durch die lärmende Stadt über die Bosporusbrücke nach Kadıköy. Und während der ganzen Fahrt läuft Sezen Aksu im Autoradio! Im asiatischem Teil fahren wir die Zweite rechts ab, vorbei am Fenerbahçe Stadion, nach einer scharfen Linkskurve bremst er schon mal vorsorglich ab, rein in die Üzerliksokak mit quietschenden Reifen, und kommt grade noch rechtzeitig am ersten Haus in dieser Straße zum Stehen. Ich stürze aus dem Taxi ohne zu bezahlen … und steh schon wieder vor einer grünen Tür … diesmal zwanzig Klingelschilder … wieder kein Çiçek!“

„‚Der kleine Spatz vom Bosporus“ ist eine gelungene Mischung aus Konzert und Schauspiel. Auf berührende Weise erzählen Moğul und Hagedorn hier eine Geschichte, die das Zeug hat, Brücken zu bauen …“ [Westfälische Nachrichten, 2018]

„Theatermacher Moğul hat nicht nur ein intimes eindringliches Kabinettstück über eine ganz besondere europäische Biographie konzipiert, sondern sie auch überzeugend inszeniert … Begleitet wird sie dabei von der hervorragenden Band ‚Anahtarbahnhof‘, die atmosphärisch dicht aufspielt.“ [Die Glocke, 2019]

„Christiane Hagedorn singt und spielt Selma mit explosivem Temperament, Verletzlichkeit und Humor … singt mit einer türkisch-deutschen Band, voller Hingabe, Melancholie und Schwung … und wirkt absolut glaubhaft als Deutsch-Türkin … die deutsche und die türkische Community zusammen zu bringen … das schaffen Christiane Hagedorn und Tuğsal Moğul mit ihrem gefühlvollen, packenden ‚Kleinem Spatz von Bosporus‘ …“ [WDR 3, 2020]

© 2024 Tuğsal Moğul

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