Wir haben getan, was wir konnten

© Arno Declair

Mitwirkende

Es spielen im Hamburger Schauspielhaus

Schauspiel: Yorck Dippe, Ute Hannig, Christoph Jöde

Musik: Tobias Schwencke (Cembalo),  Swantje Tessmann (Geiege, Bratsche),  John Eckhardt (Kontrabass)

Bühne und Kostüme: Ariane Salzbrunn

Musikalische Leitung: Tobias Schwencke

Dramaturgie: Anika Steinhoff

Choreographie: Catharina Lühr

„Wir glauben nicht, dass Worte immer Leben retten können,
aber wir wissen, dass Schweigen tötet.“

Ärzte ohne Grenzen

 

Wir haben getan, was wir konnten ist während der Coronapandemie entstanden und am 12. September 2020 im Malersaal des Schauspielhauses uraufgeführt worden. Die Idee und Konzeption zu dieser medizinisch-theatralen Recherche sind jedoch schon vor Ausbruch der Pandemie entworfen worden. Der Bezug zur aktuellen Situation der Kliniken ist durch die Coronakrise potenziert worden.

Anhand von drei Fällen aus der jüngsten deutschen Kriminalgeschichte werden Zustände und Grenzen eines maroden Gesundheitssystems durchleuchtet, in dem jahrelang aus Profitinteressen von Klinikbetreiber*innen und der Pharmaindustrie aus Patient*innen „Kund*innen“ und aus Pfleger*innen und Ärzt*innen „Leistungserbringer*innen“ gemacht wurden. Ohne den Hintergrund dieses auf ökonomische Effizienz getrimmten inhumanen Systems wären die drei Fälle kaum denkbar und durch ihre Tabuisierung gelangen sie nur selten an die Öffentlichkeit.

Begleitet wird diese Reise in abgeschlossene Räume – auf die Intensivstation oder in das Hinterzimmer einer Apotheke – von Barockmusik, gespielt und gesungen von den Musiker*innen und Schauspieler*innen der Produktion.

Auszug aus dem Stück:
„Ich habe getan, was ich konnte. Ich wollte eigentlich Feuerwehrmann werden. Bei 50 habe ich aufgehört zu zählen. Ich weiß, was ich bin, wer ich bin. Ich bin der größte Serienmörder der deutschen Nachkriegsgeschichte. Vier Ampullen Gilurytmal ziehe ich auf … ich gehe in die Patientenzimmer […] stelle den Adrenalinperfusor und den Alarm ab […] und spritze ihnen vierzig Milliliter Gilurytmal […] der Blutdruck sinkt ab, der Alarm geht los […] alle eilen dann herbei […] ich habe schon längst mit der Reanimation begonnen.“

 

„Moro, lasso, al mio duolo,
Ich sterbe, ach, an meinem Schmerz
Chi dar vita mi può,
wer mir Leben geben könnte
ahi, mi da morte!
Ach, gibt mir den Tod!“

Carlo Gesualdo (1566–1613): Moro Lasso

Wir haben getan, was wir konnten ist zum Heidelberger Stückmarkt 2021 eingeladen.

„Wenn die Bertelsmannstiftung vor gar nicht allzu langer Zeit nahegelegt hat, die Hälfte der deutschen Krankenhäuser könne möglicherweise geschlossen werden, dann sollte uns spätestens die Corona-Pandemie eines Besseren belehren (…) Eins steht außer Frage: Als politische Anstalt beweist das Deutsche Schauspielhaus auch mit dieser Inszenierung, dass eine Gesellschaft ohne so ein lebendiges Theater am Puls der Zeit wohl dringend reanimiert werden müsste.“ [Nachtkritik, am September 2020]

„Interessant ist der Alltag, und weil die drei Schauspieler so gut sind, so unaufgeregt und hochkonzentriert, trägt der Alltag Moğuls These am besten: Ein System, das ausschließlich auf Gewinnmaximierung setzt, mag halbwegs funktional aussehen, in Wahrheit aber ist es kaputt (…) und nicht zuletzt: weil der Abend immer wieder großen Spaß macht. Moğul ist nicht nur ein klug recherchierender Analytiker, er ist auch ein hochtalentierter Theatermacher, der seine Mittel gekonnt einzusetzen weiß. Und der am Schauspielhaus hierfür die richtigen Mitstreiter hat.“ [Hamburger Abendblatt, September 2020]

„Die Schauspieler sind famos, nicht nur ihre Jonglagen mit dem Fachjargon, auch wie sie aus dem Text Menschenbilder entwickeln statt Monster der Psychopathologie. Zwischen den Szenen gönnt Moğul dem Ensemble, barocke Klagegesänge anzustimmen. Wie leise weinende Countertenöre schütten sie ihr Herz aus. Auch fängt das live musizierende Cembalo-Kontrabass-Geige-Trio die kalte Ungeheuerlichkeit des Geschilderten immer wieder auf.“ [taz, September 2020]

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