Auch Deutsche unter den Opfern/NSU
Kurbanların arasında Almanlarda vardı/NSU

Szenenfotos der Aufführung in Deutschland
© Oliver Berg

Mitwirkende

Im Theater Münster

Schauspiel: Lilly Gropper, Sandra Bezler, Christoph Rinke, Dennis Laubenthal, Balint Tóth

Bühne und Kostüm: Kerstin Bayer

Dramaturgie: Friederike Engel

Video: Maximilian Krug

Choreografie: Erik Constantin

Musik und Soufflage: Andreas Abegg

 

Im Theater Kumbarcı50/İstanbul

Schauspiel: Ceren Sevinç, Deniz Gürzumar, İsmail Sağır

Regieassistenz: Gamze Güzel

Übersetzerin: İnci German

Choreografie: Senem Oluz

Mein Recherchestück wurde am 17. Januar 2015 in Eigenregie am Theater Münster uraufgeführt und bekam die Einladung zu den Autorentheatertagen am Deutschen Theater Berlin 2015. Weitere Gastspielorte waren u. a. Theaterfestivals wie Heidelberger Stückemarkt, Made in Germany Stuttgart, Unbekannte Nachbarn Zwickau.

2016 wurde Auch Deutsche unter den Opfern in Hamburg mit dem Monica Bleibtreu Preis als Bestes Zeitgenössisches Drama in Tübinger Inszenierung von Sapir Heller ausgezeichnet. 2017 wurde es vom WDR als Hörspiel vertont. Es ist seit 2015 auf mehreren Bühnen in Deutschland weiterhin zu sehen. Am 16.02.2018 war die Türkische Erstaufführung im Theater Kumbaracı50 in Istanbul.

Zehn Tote in elf Jahren – neun Menschen mit griechischer, türkischer und kurdischer Herkunft – das ist die traurige Bilanz des NSU. Jahrelang wurde den Opfern mit Migrationshintergrund eine Verwicklung in die Machenschaften der organisierten Kriminalität unterstellt – gleichzeitig schlossen die Beamten einen rechtsextremen Hintergrund der Taten aus.

Die Verbrechen des NSU enden im Jahr 2011: Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos werden tot in einem ausgebrannten Wohnmobil aufgefunden, vier Tage später stellt sich Beate Zschäpe der Polizei. Der größte politische Strafprozess nach der Wiedervereinigung bemüht sich seitdem um Aufklärung. Welche Rolle spielt der Staat in diesem Verbrechenskomplex? Es ist ein deutsches Verbrechen, dessen lückenlose Aufklärung kaum möglich scheint. Es ist neue deutsche Zeitgeschichte! Was wäre gewesen, wenn die Opfer deutsche Namen gehabt hätten und die Täter nichtdeutsche?

Nach intensiver 9-monatiger Recherche habe ich reine Fakten und Aussagen, Polizeimeldungen und Politikerstatements zu der NSU-Mordserie im Besonderen und zu rechter Gewalt im Allgemeinen gesammelt. In dieser Konzentration entwickelt das Bekannte eine extreme Wirkung. Es lässt sich nicht mehr Verdrängen und Verharmlosen. Die Ereignisse sprechen für sich und sind immer mit einer Frage verbunden. Wie konnte es soweit kommen und welchen Anteil hat jeder einzelne daran? Dieses Stück verwandelt sich in ein theatrales Totengebet. Viel zu schnell sind die vielen Opfer rechtsradikaler Gewalt aus den Nachrichten und den Erinnerungen der Öffentlichkeit verschwunden. So ist es nun an uns, ihrer noch einmal zu gedenken.

Auszug aus dem Stück:
„Da in unserem deutschen Kulturraum ‚Mord’ tabuisiert ist, lässt sich folgern, dass der oder die Täter sich den ‚hiesigen’ Normen und Werten nicht im entferntesten verpflichtet fühlen. Möglicherweise kommen die Mörder aus dem osteuropäischen oder südosteuropäischen Raum.‘ Das alles steht in einer polizeilichen Pressemitteilung! ‚Man hat es mit einer türkischen Mafiaorganisation zu tun. Diese Organisation ist so geheim und konspirativ, dass die Mitglieder selbst nicht wissen, dass sie Mitglieder dieser Organisation sind … Diese Superorganisation folgt einem rigiden Ehrenkodex. Dieser Ehrenkodex ist  seinerseits so geheim, dass die Betroffenen, das heißt die Ermordeten, diesen Ehrenkodex nicht kannten. Und weil sie gegen diesen Kodex verstießen, sind sie ermordet worden.` Das war die offizielle Hypothese der Ermittler bis zum Aufliegen der NSU Mordserie im November 2011.“

Szenenfotos der Aufführung in der Türkei
© Yücel Kurşun

„Der Theatermacher unternimmt mit Lilly Gropper, Dennis Laubenthal und Christoph Rinke einen 90-minütigen Gewaltritt durch die Faktenflut, vor allem aber die haarsträubenden Ungereimtheiten des NSU-Komplexes, die einen am Rechtsstaat zweifeln lassen. Seit Fausto Paravidinos ‚Genua 01‘ hat es kein Dokumentarstück von so wütender Dringlichkeit gegeben. Eine echte Entdeckung!“ [Der Tagesspiegel, Juni 2015]

„Die möglicherweise komprimierteste Recherchearbeit über den NSU-Fall hat nun Tuğsal Moğul am Theater Münster unternommen. Was er hier an Begebenheiten und Fakten zusammengetragen hat, zieht einem wahrlich die Schuhe aus (…) Moğuls realitätsgesättigtes Informationsknäuel ist geschickt verknotet. (…) In einer nicht enden wollenden Aufzählung rechtsradikaler Morde steigert sich der zunächst noch spöttische Rinke (,Auch Deutsche unter den Opfern!‘) dermaßen in Rage, dass er am Ende zusammenbricht. Auch der Zuschauerraum schnappt nach Luft: Diese Faktenfülle ist schlichtweg erdrückend.“ [Theater Heute, März 2015]

„Der Regisseur hat den laufenden Prozess in München besucht, mit Rechtsanwälten, Journalisten und Prozessbeobachtern gesprochen und daraus ein dichtes, mit Fakten angefülltes Stück geschrieben, mit dem Tenor: Hier wurde absichtlich in die falsche Richtung ermittelt. (…) Ein aufwühlendes, mutiges Stück, das lange nachwirkt.“ [Westfälische Nachrichten, Januar 2015]

„Man kann Tuğsal Moğuls präzises, bestürzendes Recherchedrama über den NSU gar nicht oft genug inszenieren. Sapir Heller und ihre drei jungen, temperamentvollen Schauspieler entwickeln das Stück konsequent bis zu Zschäpes ‚Aussage‘ im Dezember 2015 weiter und setzen sich dazu in Beziehung.“
[Barbara Behrendt, Kuratorin Heidelberger Stückemarkt 2016]

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